Die anderen, denen ich Jude war und blieb, wollten mir damit zu erkennen geben, daß ich ihnen nicht genug tun konnte, als Jude nämlich; daß ich, als Jude, nicht fähig sei, ihr geheimes, ihr höheres Leben mitzuleben, ihre Seele aufzurühren, ihrer Art mich anzuschmiegen. Sie räumten mir die deutsche Farbe, die deutsche Prägung nicht ein.
Jakob Wassermann, Mein Weg als Deutscher und Jude, 1921.
Frieda studierte Philosophie, Geschichte und Nationalökonomie in Freiburg, München, Berlin und Heidelberg. Aufzeigen, wie modern das damals war! Wie viele Frauen studierten damals? Hingucker in den Hörsälen, Widerstand bzw. Ablehnung von männlichen Kommilitonen und Professoren.
Nach Beginn des Ersten Weltkriegs erwog sie, ihre universitäre Ausbildung zu unterbrechen, um ihre Arbeitskraft stattdessen an der sogenannten Heimatfront in den Dienst Deutschlands zu stellen. Nur der nachdrückliche Widerspruch von Marianne Weber, der Frau des berühmten Soziologen Max Weber, konnten die junge Frau dazu bewegen, ihr Studium mit der Promotion abzuschließen. Hier Bild von Dissertation.
Erschien beim renommierten Wissenschaftverlag Dunkler und humblot
Von Friedas wissenschaftlicher Leistung beeindruckt, empfahl ihr Max Weber, die akademische Karriere mit einer Habilitation fortzusetzen. Was wäre sie dann gewesen? Erste Haibiliterte deutschlands?
Jedoch folgte die junge Frau dem Vorschlag nicht, sondern führte ihren bei Kriegsbeginn gefassten Vorsatz aus, indem sie sich im NFD engagierte, jener großen und staatlich anerkannten Frauenorganisation, die im Ersten Weltkrieg in enger Abstimmung mit behördlichen Stellen u. a. die Rekrutierung weiblicher Arbeitskräfte für die Rüstungsbetriebe und die Lebensmittelversorgung der Zivilbevölkerung organisierte. An Frieda zeigt sich beispielhaft der Patriotismus jener jüdischer Deutscher, die sich im Ersten Weltkrieg an der Front oder in der Heimat ganz selbstverständlich und ohne Rücksicht auf das eigene Leben bzw. die eigene Person in den Dienst des Landes stellten, das sie als ihr Vaterland begriffen, in dessen Geschichte und Kultur ihr – so ein Begriff aus damaliger Zeit – Deutsch-Sein gründete. Der Einsatz jüdischer Deutscher für ihre Heimat wurde nicht erst im Nationalsozialismus negiert. Bereits während des Krieges erhoben antisemitische Verbände und Parteien den Vorwurf der Drückebergerei, durch die jüdische Deutsche sich dem Frontdienst entzögen. Die Hoffnung vieler jüdischer Deutscher, durch ihren Einsatz ihren Patriotismus beweisen zu können und so als gleichwertige Mitglieder der deutschen Gesellschaft anerkannt zu werden, erfüllte sich oft nicht.
Lebenslauf aus Dissertation John Stuart Mill
Doch ist mit dem Namen Frieda Gotthelft noch mehr zu verbinden: Als die Nationalsozialisten 1933 begannen, jüdische Deutsche mittels Boykottmaßnahmen, Berufs- und Ausbildungsverboten ihrer Existenzgrundlage zu berauben, war Frieda im Rahmen ihrer Tätigkeiten für die Reichsvertretung der Deutschen Juden
erst ehrenamtlich, dann hauptberuflich an der Organisation von landesweiten Programmen beteiligt, die auf Auswanderung und Neuanfang im Exil vorbereiteten. Es wurden Umschulungskurse für jüdische Deutsche angeboten, die einen Beruf ausübten, an dem in den Exilländern kein Bedarf bestand. Ein weiteres Programm knüpfte an die Hachschara-Bewegung
an, die auf landwirtschaftlichen Lehrgütern hauswirtschaftliche und handwerkliche Fertigkeiten ebenso vermittelte wie das moderne Hebräisch, um so auf die Emigration nach Palästina vorzubereiten. Nach dem Ende des Nationalsozialismus betonte Leo Baeck nachdrücklich die außerordentlichen Verdienste von Frieda um den Aufbau der jüdischen Selbsthilfe. Dieses System, das in kürzester Zeit geschaffen wurde, trug wesentlich dazu bei, dass mehr als die Hälfte der jüdischen Deutschen dem Naziterror entkommen und sich in Sicherheit bringen konnten.
1935
emigrierte Frieda selbst mit ihrer Familie nach Südafrika. Fasste dort rasch Fuß, ihr Mann im Beruf als Architekt, sie?
Dort gründete sie 1940 OUR Parents home, ein Hilfswerk für ältere und pflegebedürftige Flüchtlinge, die nicht von ihren Kindern versorgt werden konnten, weil diese selbst Not litten. In veränderter Form besteht die Organisation noch heute. Derzeit betreut sie 220 alte Menschen. Wurde gewählt zu einer der 100 wichtigsten Frauen Südafrikas.